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AutorenbildAlina Quiner

Warum das Gendern so wichtig ist

Um unvoreingenommen zu sein, würde ich dich bitten, bevor du das hier liest, eine Frage zu beantworten. Bitte ganz ganz ganz ehrlich:


Welches Geschlecht ordnest du dem Gebäude zu?

  • weiblich

  • männlich






Es gibt 3 Themen, die wohl noch mindestens die nächsten 30 Jahre die Gesellschaft spalten werden: Veganismus, Impfen und Gendern.

Gendern ist für mich ein sehr wichtiges Thema und ich finde es grundsätzlich unpassend, meine persönlichen Meinungen im Namen des Verlags in die Welt rauszulassen. Aber heute ist der internationale Frauentag, also nutze ich diesen, meinen Senf dazu zu geben. Gendern hat ja unweigerlich einen Bezug zum Feminismus und zur (geschriebnen) Sprache - also passt das doch heute wirklich gut. :)



Was ist Feminismus überhaupt?

Lasst mich mal kurz ausholen zum Thema Feminismus: Viele denken, Feminist:innen seien militante Frauen mit kurzen Haaren, die auf die Straße maschieren und alle Männer beschimpfen. Feminismus sei radikal und es ginge darum, Männer zu unterwerfen. "Feminist:in" ist also oft mehr als Beleidigung gemeint als als Zugehörigkeit einer Meinungsgruppe.




Mal ein paar kurze Fragen: Findest du es unfair, dass Frauen oft weniger bezahlt bekommen (auch für die gleichen Positionen) als Männer nur aufgrund ihres Geschlechts? Bist du der Meinung, dass Frauen genauso Bauarbeiterinnen sein dürfen wie Männer? Findest du es unfair, dass in Hollywood eine Ressigeurin kaum eine Chance hat, wenn kein Mann ihr Talent bezeugt? Findest du Frauenrollen im Fernsehen, die sich ausschließlich über Hochzeiten und Babies unterhalten und unberechenbar eingeschnappt sind nervig und unrealistisch? Kannst du das alles mit "ja" beantworten? Dann herzlichen Glückwunsch, du bist Feminist:in. Und das ganz ohne Parolen auf der Straße mit kreischender Stimme rumzuschreien, ganz unabhängig von deinem Geschlecht.

Beim Feminismus geht es also ganz grob unter anderem darum, die Chancengleichheit zu gewährleisten, die zwar schon wesentlich besser als vor 100 Jahren ist, aber immer noch nicht gut. (Und da wo wir jetzt sind, sind wir eigentlich auch nur wegen Frauen, die auf die Straße maschiert sind!)



Sprache verändert sich.

Menschen ändern sich also - und damit auch die Sprache. Früher, "zu meiner Zeit", haben meine Klassenkolleg:innen solche Sachen gesagt wie "geh ma Nachtschicht, oida", in der heutigen Generation ist es eher ein "heute chillen, voll nice" und wenn jemand eine wichtige Prüfung nicht bestanden hat, wird das bedauert mit "F". Jungendsprache geht immer mit einem Schmunzeln der anderen Generationen einher. Das Gendern aber reißt die Gesellschaft inzwei, habe ich so das Gefühl. Und ich verstehe ganz ehrlich nicht warum. Ist doch auch nur eine Veränderung. Dass man heute "dass" statt "daß" schreibt, haben die meisten doch auch gut verkraftet.

Es gibt unzählige Gründe, die angeführt werden, wieso das Gendern nervig ist. Einer der häufigsten ist "das stört den Lesefluss so extrem". Aus diesem Grund wird oft der Satz verwendet "Aufgrund der besseren Lesbarkeit nutzen wir das generische Maskulinum." Und ich kann. es. nicht. mehr. lesen.



Sprache beeinflusst unsere Denkweise - und die der anderen auch.

Wie wir sprechen und schreiben wirkt sich auf unsere allgemeine Denkweise aus. Nicht umsonst ist NLP (also neurolinguistisches Programmieren) so ein riesen Ding in der Politik. Politiker:innen nutzen Sprache effektiv um ihre Wähler:innen zu beeinflussen - mal so als Beispiel. NLP findet natürlich noch viel mehr Anwendungsfelder.


Auch ist es bewiesen, dass, je mehr Sprachen jemand spricht, desto "besser ist die Weltsicht" (das ist jetzt ungünstig formuliert, ich werde noch darüber nachdenken, wie ich meine Gedanken besser ausdrücken kann und es dann ausbessern.) Weil jede Sprache ein anderes Muster hat.


Und im Bezug auf auf die Geschlechter ist es ganz ähnlich. Und jetzt kommen wir auf das Gebäude zurück, dem du ein Geschlecht zugeordnet hast.


Die meisten würden wohl "männlich" klicken.

Gesichter in Objekten zu erkennen, nennt man "Gesichts-Pareidolie" - das ist ein verbreitetes Phänoment und ganz natürlich. Und wenn das "Gesicht" nicht "typisch weibliche" Merkmale, wie z.B. lange Wimpern hat, wird es zu einem wirklich sehr hohen Prozentsatz als männlich gedeutet. Und das passiert unter anderem wegen der Sprache und damit dem generischen Maskulinum, denn Männer sind in der Sprache wesentlich präsenter, damit auch in unseren Köpfen und später vielleicht auch in unserer (unbewussten) Kompetenzeinschätzung.


Denn: Das Gehirn registriert zwar "Okay, die schreiben die männliche Version, meinen aber eigentlich beide", aber es hat den gleichen Effekt wie wenn man sagt "Denke nicht an rosa Elefanten" - du denkst jetzt vermutlich an rosa Elefanten. Obwohl du weiß, du sollst es doch nicht tun.


Wir sagen zwar "Ich gehe zum Arzt", "Heute kommt ein Elektriker" und "Feuerwehrmann", meinen aber vielleicht nicht immer, dass wir dann auch vor einem Mann stehen. Uns ist das bewusst. Aber das Gegenüber hat automatisch, wenn auch unbewusst, einen Mann im Kopf. Ausser vielleicht mein gegenüber kennt meine Ärztin, aber selbst dann kommt da ein Hauch Männlichkeit mit.

Und wir lernen unseren Kindern damit schon von Klein auf, dass der Standard wohl männlich sei. Denn unsere Kinder wissen ja noch nicht, was hier wirklich abgeht. Unsere Kinder vertrauen uns und glauben das, was wir sagen. Und wenn wir ständig nur von Männern in der Berufswelt reden, dann vermittelt das das Bild, der Würstlpartie im späteren Berufsleben. (Tut mir leid, die "Würstlpartie" war jetzt wirklich unprofessionell, aber ich bereue nichts :P )


Und damit will ich jetzt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durchmaschieren - wir haben es ja selbst nicht anders gelernt. Das Sprechen ist ja mehr oder minder auch nur ein Reflex, hat irgendwas mit dem Muskelgedächtnis zu tun (Da kenn ich mich jetzt wirklich nicht genug aus, jedenfalls müssen wir nicht immer ganz genau nachdenken, was wir sagen und wir reden einfach) Deswegen ist es auch wirklich schwer, solche Gewohnheiten umzutrainieren - und um das zu tun, muss man sich "dem Problem" erstmal bewusst werden.


Deswegen: je mehr wir die Frauen in Gespräche und Texte miteinbeziehen, desto mehr wird die Rolle der gleichberechtigten und kompetenten Frau auch in unsere Köpfe einmaschieren und zur Selbstverständlichkeit werden. Und nochmal: Da geht es jetzt nicht darum, alles sprachlich zu verweiblichen! Es geht darum BEIDE GESCHLECHTER auf eine sprachliche Ebene zu stellen. Man kann sagen "Ich gehe heute zur Ärztin", wenn meine Ärztin weiblich ist. "Heute kommt ein Elektriker", wenn ich weiß, der Elektriker heißt Herbert. Aber wenn mein Kindergartenkind in die Schule kommt und ich kenne die Lehrkraft noch nicht, sage ich "deine Lehrerin oder dein Lehrer wird bestimmt ganz schön schlau sein." Ist doch nicht so schwer. Und kann so viel bewirken!


Das Gendern hat also nichts (oder nicht nur!) damit zu tun, ob sich eine Konditorin genauso angesprochen fühlt wie der männliche Kollege, wenn die/der Chef:in sagt "Die Konditoren machen heute bitte eine extra große Torte". Es geht darum eine Idee in die Gesellschaft zu pflanzen - Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit werden zu lassen.


Es gibt übrigens auch ein generisches Femininum! Nur so für die Webseitenbetreiber:innen und co., die trotzdem lieber nicht gendern wegen der besseren Lesbarkeit. Vielleicht ist das ja eine Option so zwischendurch.


Danke für's Lesen dieses für mich so wichtigen Blogbeitrags!


Gebt mir gern eure Meinung in den Kommentaren und Komentarinnen preis!

(für die, die jetzt glauben, ich übertreibe: IT WAS A JOKE, DUH!, aber echt, schreibt mir gern! <3)

1 Kommentar

1 Comment


bum
Mar 08, 2023

Also zunächst: Bei einem Gebäude hab ich noch niemals gedacht, welches Geschlecht es vielleicht haben könnte, das ist mir ehrlich noch nie in den Sinn gekommen.

Was Genderungen betrifft, bin ich grundsätzlich deiner Meinung, nur manchmal wird es übertrieben. Wenn ich z.B. "Gästin" höre oder lese, bin ich mir nicht sicher, ob das Wort "Gast" nicht geschlechtsneutral betrachtet werden könnte. Du bist einfach mein Gast, egal, ob du Frau, Mann oder was auch immer bist. So wie eben Worte wie Person, Mensch, Mitglied, etc.

Wenn "Person" nicht sprachlich weiblich wäre, würden manche wahrscheinlich dann "Personin" sagen.

Und die Anhängsel bei den akademischen Graden würde ich auch sein lassen. Dr. ist eine Abkürzung, und als solche kann sie per se Doktor…

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