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Krazy Katz: "ZUM GLÜCK WAR DORT EIN GETRÄNKEAUTOMAT" (Kurzgeschichte)

Hierbei handelt es sich um eine Kurzgeschichte, die beim Kurzgeschichtenwettbewerb der AniNite 2023 eingereicht wurde. Der Text stammt direkt von dem/der Autor:in und wurde vom Verlag nicht verändert. Das Thema des Wettbewerbs lautete "Zum Glück war dort ein Getränkeautomat".

Viel Spaß beim Lesen!


Text: Krazy Katz
Genre: Humor

ZUM GLÜCK WAR DORT EIN GETRÄNKEAUTOMAT


Ein Blick auf das Thermometer meiner Gastfamilie. 40°C... ist das ein Witz? Geschockt stand ich in meinem kitschigen, schwarz-weißen Mickey Mouse Pyjama da, den mir meine Gastmutter geschenkt hatte. Wie des Öfteren sprach ich wohl auch jetzt mit mir selbst in meinem Kopf. Was sollte ich denn nur anziehen? Wie konnte ich am besten meine Haut schützen? Und wie schaffte ich es, nicht, wie eigentlich sonst immer, in Schweiß auszubrechen?

Hunderte Fragen schwebten in meinem Kopf, doch wie das Intro Detektiv Conan’s schon sagte: „noch keine Antwort entdeckt.“ Wie ein kopfloses Huhn ging ich mal links, mal rechts und dann nach vorne, ohne Plan, wo ich denn jetzt als erstes starten konnte.

„Puh, okay, kühlen Kopf bewahren.“, sagte ich mir selbst und schon schnitt ich eine Grimasse über meine eigene Wortwahl. „Kühlen Kopf…ja genau, bei 40 Grad ist das ja auch super einfach.“ Ich musste über mich selbst lachen und beruhigte mich allmählich.

Mein Gastvater war schon in die Arbeit gefahren, meine Gastmutter schlief noch. Die ältere Tochter machte ihre tägliche Routine im Bad, als sie mich hörte und sich das Spektakel ansah. Auch sie musste lachen, als ihr geschildert wurde, warum ich gerade einen „Meltdown“ hatte.

Viel Zeit hatte ich nicht mehr, bevor ich in die Sprachschule musste. Demnach rieb ich mich an den Stellen ein, zu der die Sonne jederzeit gelangen könnte, wartete ein paar Minuten, hoffte inständig, dass das ausreichen würde, zog mir kurze Jeans-Hosen und ein schwarzes T-Shirt an und machte mich auf den Weg in die Schule, die Sonnenschutzcreme im Rucksack mit dabei.

Schon wenige Meter vom Haus meiner Gastfamilie entfernt erkannte ich, dass ich gegen die Sonne keine Chance haben würde. Schon begann sich der Schweiß in allen möglichen Winkeln und Ecken zu sammeln und die Sonnencreme, die ich kurz davor noch aufgetragen hatte, verschwand je. „Na großartig“, murmelte ich genervt in mich hinein. „Hallo baldiger Sonnenbrand!“

Eine Stunde brauchte man, um von meiner Gastfamilie zu der Sprachschule in Suidōbashi zu gelangen. Eine Stunde und zweimal umsteigen. Heißes Wetter, dafür eisige wieviel auch immer Grad im Bus und in den Zügen mit der Klimaanlage. „Nettes Gebläse zum Trockenwerden (und den Schweiß von sich selbst auf andere Leute zu blasen), aber wenn das nicht eine „Ich-werd-mich-sowas-von-ganz-sicher-verkühlen“ Klimaanlage ist, dann weiß ich auch nicht“, dachte ich mir. Als Europäerin war ich so einen extremen Unterschied einfach nicht gewöhnt.

In Ōtemachi stieg ich von der JR Joban Line Local um, in die Toei Mita Line, um in Suidōbashi aussteigen und zur Schule gehen zu können. Kaum hatte ich mich an die Gefriertemperaturen der öffentlichen Verkehrsmittel gewöhnt – Klimaanlage sei Dank – musste ich auch schon wieder raus in die Hitze, um vom Bahnhof zur Schule zu gehen.

An zwei Family Marts vorbei war ich dann auch schon da. Nur drei Minuten, dachte ich mir, aber warum fühlte es sich so an, als wäre ich schon wieder eine Pfütze? Einmal an mir herunterschauend reichte, um den Grund zu wissen. Mein Schweiß rann an meinem Körper wie ein Wasserfall hinab, um in den nächsten Kleiderfalten zu verschwinden.

Die Sprachschule in Japan machte Spaß und brachte auch sehr viel. Wir lernten die verschiedensten Verben, ihre Stämme und wie man sie auf welche Weise umwandeln konnte. Auch, dass man durch

eine Abwandlung klingen konnte wie die Yakuza, war echt witzig. In der letzten Stunde des Schultages machten wir immer Shadowing. Eine sehr gute Übung, in der man einen Text vorgelegt bekommt, eine Stimme von einer CD genau diesen Text sprach und man selbst, während diese Stimme redete, dasselbe sagte wie sie. Am Anfang noch mitlesend, zum Schluss, wenn möglich, ohne zu lesen, nur mehr darauf hörend, was die Stimme sagte und vor allem, wie sie es sagte. Auf diese Art und Weise verbesserte sich die Intonation meiner Aussprache um ein Vielfaches.

Der Schultag war danach vorbei. Naja, zumindest der theoretische Teil des Lernens. An diesem Tag hatten wir eine Aktivität nach der Schule. Klingt lustig, wäre es auch gewesen, wenn wir nicht diese schrecklichen 40 Grad gehabt hätten.

Die Gesichtsausdrücke meiner Mitschüler richtig einschätzend, wurde mein eigener wieder normal. Manchmal, wenn meine Gedanken wieder mal mit mir durchgingen, so wie gerade eben, bekam ich eine entsprechend laute Mimik. Das würde ich wohl nie in den Griff bekommen. Wären wir in einem Anime oder Manga gewesen, würde an meiner Schläfe gerade ein großer Wassertropfen hängen und ein nervöses Lächeln mein Gesicht zieren.

Unsere Klassenlehrerin erklärte uns noch, dass es heute zum Meiji Jingū, einem berühmten Schrein im Yoyogi Park im Bezirk Shibuya, ging und wir unsere Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel vorbereiten sollten. Ich weiß zwar nicht, was für eine meine Mitschüler hatten, doch ich hatte meine Suica. Eine silber-grüne Karte mit einem niedlichen Aufdruck eines Pinguins. Meine Mimik wurde fragend. Warum war eigentlich ein Pinguin darauf?

Eine Mitschülerin sah mich fragend an. Francesca aus Italien, ein Mädchen, welches mir eine gute Freundin wurde, wollte wohl doch wissen, an was ich jetzt schon wieder dachte. „Naja, ich dachte daran, dass ich es echt komisch finde, dass auf der Suica ein Pinguin abgebildet ist. Immerhin heißt Suica ja wortwörtlich übersetzt WASSERMELONE.“ Auch Francesca war nun in Gedanken versunken und ehe wir beide unseren Anschluss verloren, zog ich sie mit zu unserer Gruppe, die schon etwas weiter vorgegangen war.

Zurück zum Bahnhof Suidōbashi ging es mit der Toei Mita Line wieder nach Ōtemachi und von dort aus mit der Tokyo Metro Chiyoda Line direkt zum Bahnhof Meiji Jingūmae. Jingū übersetzt bedeutet übrigens Schrein und mae heißt einfach nur „vor“. Also der Bahnhof hieß einfach „Vor dem Meiji Schrein.“

Da die Lehrerin uns jetzt begleitete, gab sie uns Zeit uns selbst umzusehen, bevor wir uns in zwei Stunden wieder am Eingang des Yoyogi Parks trafen.

Francesca ging mit anderen Italienerinnen von Dannen und auch die anderen hatten schon eine Gruppe, mit der sie gemeinsam den Yoyogi Park und den Schrein erforschen wollten. Am Ende blieb ich allein über, was mir in diesem Fall aber gar nichts aus machte.

Den Park entlang schlendernd machte ich einige Fotos von der Umgebung, doch wie so oft vergaß ich, auf mein Umfeld zu achten. Bevor ich mich versah, hatte ich mich auch schon verlaufen. Na ganz großartig. Das hatte ich ja wieder mal ganz super hinbekommen. Ich schlug mir mental mit der flachen Hand auf die Stirn, ehe ich wieder normal zu Denken begann.

„Okay, also ich habe mich keinen Millimeter bewegt, somit nur einmal umdrehen und zurück gehen. Du schaffst das, komm schon.“, redete ich mir selbst gut zu. Es wurde immer schwieriger noch bei klarem Verstand zu bleiben. Die 40 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit machten mir echt zu schaffen. Ob ich hier nochmal lebendig rauskommen würde? Oder ob ich hier verdurstend und überhitzt zu Grunde gehen würde?

Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte einfach an gar nichts mehr zu denken, außer dem Weg, von dem ich hoffentlich kam. Tatsächlich kamen mir nach einiger Zeit ein paar Ecken des Parks wieder bekannt vor und ich machte mich, nun wieder mehr guter Dinge, auf dem Weg zurück zum Ausgang. Dehydriert und schweißgebadet war ich wieder zurück am Anfang. Vom Schwindel schon doppelt sehend, konnte ich mit meinen halboffenen Augen gerade noch so einen Getränkeautomaten ausmachen, verschwommen vor meinem armen Auge.

Okay, das war wohl zu dramatisch. Schweißgebadet und dehydriert war ich, ja, und mir war tatsächlich von der Dehydration etwas schwindlig, aber ich muss zugeben, dass der Rest etwas übertrieben war. Aber dennoch, dieser Getränkeautomat war mein Lebensretter. Nicht nur, dass es ein Automat mit kalten Getränken war, nein, zwischen den kalten Getränken war eines besonders. Pocari Sweat! Perfekt für eine Person wie mich, die viel schwitzte und somit nicht nur schnell an Wasser, sondern auch an Mineralstoffen verlor. Ohne jetzt Werbung machen zu wollen… „Was für Werbung, meine Gedanken spielen sich doch sowieso alle in meinem Kopf ab“, dachte ich nur grinsend.

„Aber mal im Ernst“, meinte ich nuschelnd zu mir selbst, „zum Glück war dort ein Getränkeautomat.“

Noch einmal ging ich den Weg zurück und fand diesmal auch zum Schrein, mit einer extra Flasche Pocari Sweat im Rucksack. Ich holte mir meinen Glückszettel – Omikuji - für 100 Yen und war erfreut darüber, dass ich ein kleines Glück gezogen hatte.

Die Glückszettel hatten alle eine Bedeutung. Sobald es mit Glück endete, am besten in die Geldbörse geben, um dem Glück seinen Lauf zu lassen. Stand Pech darauf, egal in welcher Form, war es Tradition, den Omikuji an einen bestimmten Baum beim Schrein zu binden, welcher das Pech aufsaugte und somit neutralisierte.

Nach den zwei Stunden zurück am Ausgang entließ uns die Lehrerin in den freien Nachmittag und für mich ging es zurück zur Gastfamilie. Zurück in ein kühles Haus, die Hausaufgaben machend, hydriert und hoffentlich ohne Sonnenbrand, um am nächsten Tag – ein Samstag – Shin-Okubo zu besuchen, ein Traum für jeden, der koreanischen Pop oder kurz K-Pop liebte.

Hoffentlich würde es morgen kühler werden, aber für den Moment war ich froh, heil wieder zurück zu meiner Gastfamilie gekommen zu sein.

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